Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Varianzanalyse, Diskriminanzanalyse, Kontingenzanalyse, Faktorenanalyse, Clusteranalyse, MDS, ....

Moderator: EDi

consuli
Beiträge: 479
Registriert: Mo Okt 10, 2016 8:18 pm

Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von consuli »

Hallo!

Ein befreundeter Physiker (Doktorand und Nicht-R-User) hat mir folgende Frage gestellt:

Er hat einen physikalischen Versuchsaufbau, bei dem bestimmte Partikel mit einem Szintillationszähler gemessen werden.

[Unwichtige Details]
Ganz grob zur Funktionsweise: Der Partikel fliegt auf den Kristall (den ersten Baustein des Szintillators). Dadurch wird ein Lichtimpuls erzeugt. Dieser Lichtimpuls wird mit einer Photo-Multiplier-Tube in Elektronen umgewandelt und verstärkt.
[/Unwichtige Details]

Am Ende ensteht ein kleines Milli-Voltsignal, dass gemessen wird. Jeder gemessene Partikel erzeugt eine ganz bestimmte Volt-Amplitude.

Wichtig: Jede dieser Volt-Amplituden kann in etwa durch eine nicht-standardisierte Normalverteilungskurve approximiert werden. Nicht standardisiert heißt, ein stärkes Signal entspricht einer Normalverteilung mal X; die kumulative "Dichte" des Signals ist also nicht mehr 1.

Das Problem:
Öfter passiert es, dass zwei Partikel (fast) gleichzeitig den Szintillationszähler erreichen, wodurch dann eine kumulierte Volt-Amplitude entsteht und gemessen wird.

Fragen:
Wie kann man das Multisignal wieder (unter Bezugnahme auf Messamplituden eines singulären Partikels) in seine Bestandteile zerlegen (und dadurch auf eine einzelne Partikelereignisse zurückschließen.

Aber irgendwie habe ich überhaupt keinen Zugang zu diesem Problem. "Aber ich als Statistiker müsste das doch wissen." :? :shock:

Wenn die statische/ mathematische Baustelle mal festgestellt ist, würde sich natürlich auch die Frage eines passenden R-Paket anschließen.
Irmgard.
bigben
Beiträge: 2771
Registriert: Mi Okt 12, 2016 9:09 am

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von bigben »

Ich verstehe das nicht. Wie kann ein Signal in Millivolt durch eine Verteilungskurve approximiert werden? Sieht das Signal über die Zeit aufgetragen wie eine Glockenkurve aus oder folgenden die von gleichartigen Teilchen ausgelösten Amplituden angenähert einer Normalverteilung oder nochmal anders? Was ist ein Multisignal? Das Signal das zwei gleichzeitig auftreffende Teilchen auslösen? Was sind singuläre Messamplituden? Gibt es auch Amplituden die nicht gemessen werden? Sorry, ich verstehe das Problem ernsthaft noch nicht. Kann man nicht einfach Signale die doppelt so hoch sind wie der Median der Signale als 2 Teilchen zählen? Oder suchen wir hier den kleinsten gemeinsamen Teiler eines fehlerbehaftet gemessenen Signals?

LG,
Bernhard
---
Programmiere stets so, dass die Maxime Deines Programmierstils Grundlage allgemeiner Gesetzgebung sein könnte
consuli
Beiträge: 479
Registriert: Mo Okt 10, 2016 8:18 pm

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von consuli »

bigben hat geschrieben: Mi Jan 30, 2019 4:00 pm Ich verstehe das nicht. Wie kann ein Signal in Millivolt durch eine Verteilungskurve approximiert werden? Sieht das Signal über die Zeit aufgetragen wie eine Glockenkurve aus?
Genau so ist es. Gaussche Glockenkurve über der Zeit.
bigben hat geschrieben: Mi Jan 30, 2019 4:00 pm Was ist ein Multisignal? Das Signal das zwei gleichzeitig auftreffende Teilchen auslösen?
Genau so ist es. Ein Signal das von zwei oder mehr Partikeln ausgelöst wird.
bigben hat geschrieben: Mi Jan 30, 2019 4:00 pm Was sind singuläre Messamplituden? Gibt es auch Amplituden die nicht gemessen werden?
Ja, das habe ich wirklich nicht gut formuliert. Gemeint ist die (über der Zeit) gemessenen Amplitude eines Singulärevents/ einzelnen Partikels.
bigben hat geschrieben: Mi Jan 30, 2019 4:00 pm Kann man nicht einfach Signale die doppelt so hoch sind wie der Median der Signale als 2 Teilchen zählen? Oder suchen wir hier den kleinsten gemeinsamen Teiler eines fehlerbehaftet gemessenen Signals?
Grundsätzlich kommen Partikel mit unterschiedlichen Energien in den Szintillationszähler gerauscht. Der Sinn und Zweck eines Szintillationszähler besteht genau darin, diese nach Energie zu unterscheiden. Die Unterscheidung der Energien der Partikel geschieht eben genau dadurch, dass ein Partikel mit einer kleinen Energie eine kleine Amplitude erzeugt und ein Partikel mit einer großen Energie entsprechend eine große Amplitude. Der Sintillationszähler setzt die Energie des Partikels mehr oder weniger linear in eine entsprechend große Spannungsamplitude um.

Weil man die Partikel separat nach ihrer Energie zählen will, will man eben gerade nicht bei einer doppelten Amplitude zwei Partikel zählen, sondern abhängig von der Kurvenform der Amplitude
  • bei einer schönen gausschen Glockenkurve: 1 Stück Partikel mit doppelter Energie zählen
  • bei einer "hässlichen" zusammengestückelten Glockenkurve: 2 Stück Partikel mit einfacher Energie zählen
Die auftretenden Energien der Partikel könnten z.B. 4,2 keV, 8,6 keV, 13,8keV 45,4 keV mit kleiner Streuung sein bzw. deren korrespondierende Spannungsamplituden. Echte kontinuierliche Zwischenwerte gibt es nicht. Die mehr oder weniger diskreten Energien können aber ungünstig liegen. Wie in diesem Beispiel ist 2 x 4,2 keV bereits nah an 8,6 keV.

Ich habe früher mal etwas von statistischen Verfahren zur Zerlegung von gemischten Verteilungen gehört. Könnte man sowas dafür nutzen?
Irmgard.
Benutzeravatar
EDi
Beiträge: 1599
Registriert: Sa Okt 08, 2016 3:39 pm

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von EDi »

Ich habe früher mal etwas von statistischen Verfahren zur Zerlegung von gemischten Verteilungen gehört. Könnte man sowas dafür nutzen?
Du meinst ein Gaussian Mixture Model?

R Pakete gibts viele, z.B. mixtools: http://tinyheero.github.io/2015/10/13/m ... model.html
kann man aber auch selbst relativ einfach mit optim fitten...
Bitte immer ein reproduzierbares Minimalbeispiel angeben. Meinungen gehören mir und geben nicht die meines Brötchengebers wieder.

Dieser Beitrag ist lizensiert unter einer CC BY 4.0 Lizenz
Bild.
bigben
Beiträge: 2771
Registriert: Mi Okt 12, 2016 9:09 am

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von bigben »

Coole Antwort, EDi. Wenn das mit der Glockenkurvenapproximation gut passt. Nachrangig hätte ich jetzt gefragt, ob "einfache" Ereignisse immer das gleiche Verhältnis von Amplitude zu Dauer haben. Dann sollte ein kombiniertes aber nicht völlig synchrones Ereignis hier ein kleineres Verhältnis haben. Damit könnte man dann eine Vorauswahl treffen, für welche Ereignisse man optim anwerfen muss und für welche nicht. Man könnte auch schauen, ob die Ableitung/Steigung monoton ist, oder nicht.

LG,
Bernhard
---
Programmiere stets so, dass die Maxime Deines Programmierstils Grundlage allgemeiner Gesetzgebung sein könnte
consuli
Beiträge: 479
Registriert: Mo Okt 10, 2016 8:18 pm

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von consuli »

Danke für die hilfreichen Antworten.

Ratet mal wer jetzt die Daten auswerten darf. :shock: Könnte ich doch bloß meine Klappe halten und würde nie sagen dass ich Statistiker bin. :oops:
Irmgard.
bigben
Beiträge: 2771
Registriert: Mi Okt 12, 2016 9:09 am

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von bigben »

Statistiker heißt eben nicht nur schnelle Autos, reichlich willige Frauen und wilde Parties. Manchmal muss man dafür halt auch was arbeiten...
---
Programmiere stets so, dass die Maxime Deines Programmierstils Grundlage allgemeiner Gesetzgebung sein könnte
Benutzeravatar
EDi
Beiträge: 1599
Registriert: Sa Okt 08, 2016 3:39 pm

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von EDi »

Statistiker heißt eben nicht nur schnelle Autos, reichlich willige Frauen und wilde Parties.
:lol:

Hmm, irgendwas mache ich da wohl falsch :(
Bitte immer ein reproduzierbares Minimalbeispiel angeben. Meinungen gehören mir und geben nicht die meines Brötchengebers wieder.

Dieser Beitrag ist lizensiert unter einer CC BY 4.0 Lizenz
Bild.
Benutzeravatar
EDi
Beiträge: 1599
Registriert: Sa Okt 08, 2016 3:39 pm

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von EDi »

Wenn das mit der Glockenkurvenapproximation gut passt.
Die selbe logik sollte auch auf andere Verteilungen anwendbar sein (aber vermutlich schwerer lösen?). Letztendlich hat man 5 parameter: 2x Mittelwert, 2x Streung, 1x Verhältnis der beiden.
Bitte immer ein reproduzierbares Minimalbeispiel angeben. Meinungen gehören mir und geben nicht die meines Brötchengebers wieder.

Dieser Beitrag ist lizensiert unter einer CC BY 4.0 Lizenz
Bild.
bigben
Beiträge: 2771
Registriert: Mi Okt 12, 2016 9:09 am

Re: Zerlegung eines multiplen Signals in seine Bestandteile

Beitrag von bigben »

Die selbe logik sollte auch auf andere Verteilungen anwendbar sein (aber vermutlich schwerer lösen?).
Da fällt mir ein, dass ich immer mal lesen wollte, was es mit Wavelets auf sich hat, aber nie dazu gekommen bin. Ob da noch verallgemeinersungspotenzial auf weitere Kurvenformen drin steckt? Sorry, ich rede wirklich, ohne Ahnung zu haben.

Letztendlich hat man 5 parameter: 2x Mittelwert, 2x Streung, 1x Verhältnis der beiden.
Das klingt jetzt so, also wolltest Du Dich auf zwei gleichzeitig eintreffende Partikel beschränken. consuli macht das bestimmt gerne auch für mehrere gleichzeitig eintreffende Partikel... ;-)

GLG,
Bernhard
---
Programmiere stets so, dass die Maxime Deines Programmierstils Grundlage allgemeiner Gesetzgebung sein könnte
Antworten